Gedenken am „Hildesheimer Friedenstag“
Als Zeichen gegen aktuelle friedensfeindliche Gesinnungen nahm die Stadt Hildesheim den 22. März zum Anlass, um zur Wahrung des Friedens in Gegenwart und Zukunft aufzurufen.

Am 22. März 1945 wurde Hildesheim Opfer verheerender Luftangriffe, die weite Teile der Stadt in Schutt und Asche legten. Über 1.000 Bürgerinnen und Bürger verloren an diesem Tag ihr Leben.Im Wissen um diesen Teil der Geschichte aber auch als Zeichen gegen aktuelle friedensfeindliche Gesinnungen nahm die Stadt Hildesheim den 22. März zum Anlass, um zur Wahrung des Friedens in Gegenwart und Zukunft aufzurufen.
Neben der traditionellen Erinnerungsfeier sind der Friedenspreis und die Friedensrede wichtige Aspekte des Hildesheimer Friedenstags. Vor allem soll der Fokus stärker von der historischen Erinnerung hin zu einer vorwärtsgewandten Sicht gelegt werden. Damit sollen insbesondere junge Generationen erreicht werden. Traditionell wurde die Gedenkfeier um 13.10 Uhr, dem Zeitpunkt des Bombardements von 1945, mit dem Glockengeläut in der Stadt eröffnet. Im Rahmen der Erinnerungsfeier, den Superintendent Mirko Peisert und Stadtdechant Wolfgang Voges gestalteten, gedachten Hildesheimer Bürgerinnen und Bürger in der St. Andreaskirche der folgenschweren Zerstörung der Stadt.
In seiner Ansprache erinnerte Oberbürgermeister Dr. Ingo Meyer an die Luftangriffe auf Hildesheim und andere europäische Städte. Dabei machte er deutlich, dass sie alle letztlich „Opfer des Rassen- und Größenwahns des NS-Regimes und ihre Zerstörungen die Auswüchse des von den Nazis entfesselten totalen Kriegs seien.“
Im Bezug auf Hildesheim ging Meyer auch auf die noch heute sichtbaren Folgen der Zerstörungen ein: „Wenn wir heute durch die Straßen der Innenstadt laufen, werden wir immer wieder mit diesem Verlust konfrontiert. Auch wenn die Hildesheimer Bürgerinnen und Bürger den identitätsstiftenden Bauten wieder zu neuem Glanz verhalfen: Der rekonstruierte Marktplatz und die wiederaufgebauten Kirchen können – und sollen – diese Geschichte nicht leugnen.“
Im Rahmen der Erinnerungsfeier wurde auch der Friedenspreis „Im Anfang war das Wort“ vergeben. Die jährlich vergebene Auszeichnung würdigt Initiativen, die sich für ein tolerantes und respektvolles Zusammenleben einsetzen. In diesem Jahr wurde das Bildungsprojekt FuNah ausgezeichnet. FuNah entstand 2014 aus einer studentischen Initiative heraus. In einer Realschule in Peine und in Grundschulen und einer Gesamtschule in Hildesheim kommen Studentinnen und Studenten einmal in der Woche mit Kindern und Jugendlichen zusammen. Zunächst lernen sie im Klassenzimmer, dann geht es raus auf den Sportplatz. Die Mädchen und Jungen erkennen ihre Stärken und Schwächen, arbeiten in einer Mannschaft gemeinsam auf ein Ziel hin und entdecken den Wert von Bildung und setzen sich für Respekt untereinander ein.

Als dritter Teil des Hildesheimer Friedenstags hat sich die Friedensrede etabliert. Durch sie sollen Personen zu Wort kommen, die Wege zu einer gerechteren und toleranteren Welt aufzeigen. Nach Felix Finkbeiner im Jahr 2017 wurde die Rede in diesem Jahr von der Hildesheimer Schriftstellerin Shida Bazyar gehalten. Mit ihrem mehrfach ausgezeichneten Debütroman „Nachts ist es leise in Teheran“ aber auch durch zahlreiche Veröffentlichungen in überregionalen Medien tritt Bazyar für eine offene und tolerante Gesellschaft ein.
In ihrer Friedensrede rief Bazyar dazu auf, gegen Krieg und Menschenhass anzugehen und für den Frieden – wenn notwendig – auch zu streiten. Der Krieg sei immer noch präsent, schon selbst bei Grundschulkindern: „Grundschulkinder haben eine schönen kleinen Ritus untereinander: Wenn sie befreundet sind, dann vernetzen sie sich nicht online (noch nicht), sondern sie sind noch analog unterwegs. In Form eines kleinen, meist bunten Buches, wahlweise mit Bildern von Conny oder von Olaf, dem Schneemann, zeigen sie sich ihre Freundschaft, indem sie einander in ihrem jeweiligen Buch eintragen lassen. Neben Fragen nach dem Alter, dem Lieblingsessen und den Hobbys steht dort immer auch die leuchtende Frage „Was ich nicht mag“. Als ich klein war, gab es diese Bücher auch, wenn Conny und Olaf auch noch nicht erfunden waren. In Büchern, die mit „Tabaluga und Lilli“ und der Diddl Maus geschmückt waren, schrieb ich im Grundschulalter mein Alter und meine Hobbys auf. Und, Was ich nicht mag: „Streit, Fleisch und Krieg“. Die anderen Kinder schrieben „Keller und Spinnen“, „Aufräumen“, „Hausaufgaben“, „schlechtes Wetter“, „Spinat“. Und sie schrieben alle immer: „Krieg“. (...) Wie relevant ist es doch, in frühem Alter in sich zu gehen und ernst zu nehmen, dass es Dinge gibt, die man nicht mag. (...) Deswegen hoffe ich, dass es nicht bei diesem Eintrag bleibt, den Kinder machen. Das es die erste halb öffentliche Stellungnahme ist, die dann aber nicht in diesem Buch aufhört. Wenn alle Kinder, die einmal geschrieben haben, dass sie den Krieg nicht mögen, in den nächsten Jahren an gegebener Stelle sagen, dass sie ihn nicht mögen und dann wiederum in den nächsten Jahren schreien, dass sie ihn nicht mögen, und sich immer, an jeder Stelle dafür einsetzen, dass es keinen vernünftigen (oder entschuldbaren) Grund gibt, ihn zu mögen, gibt es vielleicht eines Tages eine Welt, in der Kinder guten Gewissens wieder dazu übergehen können, Spinat, Spinnen und Hausaufgaben nicht zu mögen.“

Die Stadt Hildesheim richtet den Hildesheimer Friedenstag seit 2016 gemeinsam mit der evangelischen und der katholischen Kirche, den Hochschulen und dem Verein für Stadtgefühl „Hildesheim blüht auf“ aus.
Am Abend machte Oberbürgermeister Dr. Ingo Meyer noch einmal deutlich, dass der Hildesheimer Friedenstag das Unrecht auf der Welt zwar nicht beseitigen, wohl aber an die Werte unserer Demokratie erinnern und dazu aufrufen könne, für ein tolerantes und friedliches Zusammenleben in unserer Stadt einzutreten.